Buntes Band Würselen – die Stadt zieht Bilanz
Unter dem Titel „Buntes Band Würselen- mehr Biodiversität in unserer Stadt“ hat Würselen im September 2021 einen Antrag zum Förderprogramm „Grüne Infrastruktur“ gestellt, der Anfang 2022 bewilligt wurde. Die finanziellen Mittel in Höhe von 490.000 Euro, die aus dem REACT-EU-Programm stammen, sollten Würselen aufblühen lassen. Das war die Idee, doch wie sah die praktische Umsetzung aus?
Der Titel ist Programm
„Grüne Bänder“ als Projektbezeichnung gab es schon genug, gemeint sind damit aber überwiegend Anpflanzungen von Hecken und Bäumen. Das „Bunte Band“ dagegen soll nicht nur in Bezug auf die Blüten bunt sein, sondern vor allem vielfältig an Maßnahmen. Und das sollte sich wiederum auch in dem Logo des Projekts wiederspiegeln, das die Verwaltung nun endlich auch der Öffentlichkeit vorstellen konnte – dabei war es eines der ersten „Anschaffungen“, die überhaupt im Rahmen des React-EU-Förderprojekts in Auftrag gegeben wurde. „Aber erst am Ende der Projektlaufzeit hatten wir die Übersicht, wie viele Flächenanlagen, Anschaffungen und Installationen tatsächlich erfolgt sind und wie viele Schilder und Kennzeichnungen wir in Auftrag geben konnten“, so Bettina Püll, Umweltplanerin und zuständig für Koordination und Realisierung der Maßnahmenpakete. „Alles, was wir mit Hilfe der Projektmittel umgesetzt haben, ist nun mit einem Schild gekennzeichnet worden, auf dem die Maßnahmenbezeichnung und ein QR-Code, sowie das Logo zu finden sind“, ergänzt Püll. Dahinter verbergen sich viele interessante Informationen zum React-EU-Projekt.
Hand in Hand zum Ziel gelangen
Zahlreiche wichtige Beiträge seitens der Bürger:innen, der Politik und der Verwaltung wurden im Rahmen der Fördermaßnahme umgesetzt oder angestoßen: Ein Bereich im Stadtgarten wurde eingezäunt, der sich in Zukunft durch die hoffentlich zahlreiche Unterstützung ambitionierter Gartenfreundinnen und –freunde in einen bunten und biodiversen Bürgergarten entwickeln wird. Oder aber auch das Engagement von Kindern, die eine öde Straßenbegleitgrünfläche in ein zauberhaftes Staudenbeet mit Gemüseeinlage umwandelten oder einen Lebensturm in der öffentlichen Obstwiese im Stadtgarten bauten (Gouleykids und Umweltparlament des städt. Gymnasiums Würselen, wir berichteten).
Aus ursprünglich 11 wurden 17 Monate Projektdauer. „Zum Glück“, so Christina Chantré vom städtischen Fördermittelmanagement, „hatte die Bezirksregierung als zuständiger Fördergeber ein Einsehen und uns zweimal eine Verlängerung genehmigt“. Die Lage auf dem Markt war und ist zum Teil bedingt durch die Pandemie, aber auch durch den Fachkräftemangel nicht einfach. „Aber durch den regen Austausch mit unserem Ansprechpartner bei der Bezirksregierung konnten alle Probleme gelöst werden“, ergänzt Chantré.
Ohne die Hilfe vom Baubetriebshof, aber auch zahlreichen weiteren Kolleginnen und Kollegen, die mal wenige Stunden vor dem Abflug in den Urlaub mit dem Wasserfass die frisch gesetzten Stauden und Bäume vor dem Vertrocknen gerettet haben oder mit dem Bagger ein Planum für den Wohncontainer als Aufenthaltsmöglichkeit im Offenen Garten herrichteten oder mal eben den Trinkbrunnen zum Wasserspeien gebracht haben, wäre das schöne Projekt nicht so gut gelungen. „Die Maßnahmen haben an so vielen Stellen die Schrauben in die richtige Richtung gedreht“, freut sich Püll.
Gemeinsam Erfahrungen sammeln
„Vieles haben wir angestoßen, mit dem wir auch erst einmal unsere Erfahrung sammeln müssen, wie z.B. mit der Anlage der Langgraswiesen auf innerstädtischen Flächen“, erläutert Nina Schierp, Planungsamtsleiterin und federführend verantwortlich für das „Bunte Band“. Darüber gibt es im Internet zwar zahlreiche Berichte von Städten und Kommunen, die sich ebenfalls auf den Weg gemacht haben, ihre Intensiv-Rasenflächen zumindest in Teilen zu extensivieren und somit einen erheblichen Beitrag in Richtung Biodiversität zu leisten – aber auch mit ebenso viel unterschiedlicher Resonanz und Methodik. „Das braucht Zeit und manchmal werden wir bestimmte Maßnahmen auch wiederholen müssen – aber das gehört einfach dazu!“, ergänzt Schierp.
Würselen blüht auf
Immer wieder ploppten im Verlauf des Frühjahrs neue Blumenzwiebeln am Wegesrand auf, im Stadtgarten, Am Mühlenhaus, entlang des Fußwegs zwischen Campagnaticoplatz und Honigmannstraße oder im weiteren Verlauf entlang des Rad-/Gehwegs zwischen B57 und Bardenberger Straße. Auch die Narzissenstreifen entlang des Rad-/Gehwegs Friedrichstraße/Bahnhofstraße und im weiteren Verlauf zwischen Nordstraße und Elchenrather Straße leuchteten strahlend gelb im Frühjahr. „Das war schon toll anzusehen. Wir hatten zwar die Artenlisten, aber es war schon überraschend, was nacheinander alles aus dem Boden kam“, schwärmt Püll.
Die Nordstraße – ein eigenes Kapitel
Erstmalig wurden im Stadtgebiet auch Bäume mit Retentionssystemen in die straßenbegleitenden Beete gesetzt. Das sind Wasserspeicher, die sich in 1,2 m Tiefe befinden und die Wurzeln langfristig mit Wasser versorgen. „Auch da braucht es etwas Geduld“, so Püll, „denn die Bäume müssen zunächst mal ein bisschen wachsen und in die Tiefe wurzeln.“ Dann aber wird über die Kapillarkraft des Bodens der Wurzelbereich des Baumes mit dem Wasser aus den Systemen versorgt. Bis dahin wird der Baum über einen Bewässerungssack, der tröpfchenweise aber permanent Wasser abgibt, in den trockenen Phasen des Jahres feuchtgehalten.
In einem Abschnitt der Nordstraße mussten die alten Purpur-Erlen ersetzt werden, da sie nicht nur bautechnisch Probleme gemacht haben, sondern stets Dachrinnen und Schächte mit Blütenresten, Früchten und Blättern zusetzten. Die engagierte Anwohnerschaft war teils traurig darüber, teils aber auch erleichtert, dass die Erlen nun durch klimaresiliente Kegel-Ahörner, Hopfen-Buchen, Säulen-Hainbuche und Amberbäume ersetzt wurden. Letztere weisen eine besonders schöne Herbstfärbung auf. Alle Bäume sind auf der Galk-Liste der klimaresilienten Bäume zu finden und kommen gut mit Trockenheit, aber auch mit vorrübergehendem Wasser-Überfluss zurecht (GALK steht für „Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz“). Die Neuanlage des Straßenbegleitgrüns in diesem Abschnitt der Nordstraße ist eine Maßnahme zur Klimaanpassung, da gleichzeitig auch Wasser in den Retentionssystemen gespeichert wird und die Beetoberfläche insgesamt sogar nahezu verdoppelt wurde. Damit nicht noch einmal die Wurzeln außer Rand und Band geraten, wurden alle Bäume mit einer Wurzelschutzfolie gepflanzt. Sie animiert den Baum, die Wurzeln in die Tiefe zu lenken und sich nicht unterhalb der Oberfläche in Richtung der Hauswände oder dem Straßenbelag auszudehnen.
Die Aufstellung einer Bank auf der angrenzenden Streuobstwiesenfläche zur Straße hin ist ebenfalls geplant: Holzkünstler wollen sie aus einem Stamm einer gefällten Purpur-Erle herstellen.
Sträucher statt Bäume
Aufgrund von Versorgungsleitungen konnten auf der östlichen Straßenseite keine Bäume mehr gepflanzt werden. Der zuständige Versorger hatte Bedenken, weil der Mindestabstand zwischen den Ersatzbäumen und einer großen Trinkwasserversorgungsleitung am Straßenrand nicht eingehalten werden konnte. Zu groß war auch die Gefahr, durch das tiefe Ausschachten an alten weitverzweigten Erlenwurzeln zu ziehen und somit die bestehende Versorgungsleitung zu beschädigen. Dennoch wurden die ehemaligen Baumbeete vergrößert und mit einem Strauch und Stauden in mineralischer Mulchung bepflanzt. Die etablierten Staudensets „Silbersommer“, „Gold- und Silbermischung“ vertragen Trockenheit und pralle Sonne sehr gut, sind aber allesamt Magneten für blütenbestäubende Insekten und zeigen aufgrund ihres Blattschmucks auch im Winter noch ein ansehnliches Bild und vom zeitigen Frühjahr bis in den späten Herbst blüht immer etwas. Im Frühjahr dann werden die Stauden in allen Staudenbeeten zurückgeschnitten, damit sie kräftig austreiben, egal, ob sie in Substrat gepflanzt wurden oder mineralisch gemulcht sind.
Des einen Leid, des anderen Freud…
Die Retentionssysteme inklusive Bäume, die in der Nordstraße nicht angelegt werden konnten, wurden nach Absprache mit dem Fördergeber in die Haaler Straße gesetzt. Dort mussten aus Gründen der Verkehrssicherheit im Herbst 2022 sechs Platanen gefällt werden. An diesen Standorten sind nun Baumretentionssysteme in Verbindung mit Staudenbeeten entstanden und sorgten schon unmittelbar nach der Pflanzung für ein attraktiveres Straßenbild. „Spannend ist auch für uns, welche Unterschiede zwischen den mineralisch gemulchten und den in Substrat gesetzten Stauden langfristig bestehen“, so Heinz-Gerd-Groten, Gartenmeister und operativer Leiter für die Grünflächen im städtischen Baubetriebshof. Bereits in den Vorjahren hat der Baubetriebshof schon einige Erfahrung sammeln können, bei der Anlage kleinerer Staudenbeete in mineralischer Mulchung. „Zugegeben“, so Heinz-Gerd-Groten. „Wenn die Stauden frisch gesetzt sind, sieht es von weitem zunächst nach einem herkömmlichen Schotterbeet aus“, ein Vorgartenmodell, das den Verantwortlichen in der Stadtverwaltung jedoch ein Dorn im Auge ist. Anders als bei den Schotterbeeten stehen die Stauden aber zu 90 % in einem guten Staudenboden, ohne Unkrautfolie.
Die ca. 5 bis 8 cm dicke Basaltsplit-Schicht verzögert zum einen das Austrocknen des Bodens, wärmt im zeitigen Frühjahr schnell auf und speichert die Wärme. Das verhilft den Stauden zu einem frühen Start in die Wachstumsphase. Bereits nach zwei bis drei Jahren ist die Splitschicht kaum noch zu sehen unter dem Blattwerk der Stauden – dann erinnert tatsächlich nichts mehr an ein Schotterbeet. Die Schicht aus kleinen Steinchen hält auch den Aufwuchs von Dauerwildkräutern fern, die in den bunten Staudenbeeten nicht so gerne gesehen sind, weil sie langfristig auch viele Staudenpflanzen verdrängen können.
Und noch ein Effekt, den der Baubetriebshof beobachtet hat: Hunde gehen nicht so gerne auf dem Split, um da ihr „Geschäft“ zu erledigen. Was ohnehin tabu sein sollte, schert sich so mancher Vierbeinerfreund nicht drum und lässt selbst in den liebevoll gestalteten Beeten oder auch in so manchem begrünten Vorgarten seine Hinterlassenschaft einfach liegen. „Aber insgesamt merken wir auch eine Verbesserung, so Groten, „immer mehr Hundefreund:innen haben Tüten dabei und heben das Malheur auf“.
Ende des Projekts heißt nicht Ende des Bunten Bands!
Aber nicht nur Staudenbeete, die „wilden“ Urban Meadows (Wildstaudenmatten), Blumenzwiebelstreifen, Blumen- und Langgraswiesen – zu einem hohen Anteil mit Regio-zertifiziertem, also für den hier typischen Lebensraum angepasstem Saatgut gesät – sind entstanden. Die Voraussetzung für einen Bürgergarten konnte geschaffen werden: Die Interessengemeinschaft steht in den Startlöchern und wartet nur darauf, endlich loslegen zu können. Mit den beginnenden Aktivitäten auf dem Gelände ist auch ein öffentliches Interesse zu erwarten. Menschen, die sich vielleicht zunächst nichts unter der Arbeit in einem offenen Garten vorstellen konnten, mögen nun vielleicht tatkräftig mithelfen. Geplant sind nicht nur Bürger-Beete, die nach Vorstellung der Pflegenden bepflanzt werden können, sondern auch die Anlage von Beerensträuchern und Obstgehölzen sowie Biotopflächen, wie z.B. Trockenmauer, Sandarium und Kräuterspirale. Heiß begehrt für eine kühle Erfrischung und um die Trinkflasche aufzufüllen ist der ebenfalls geförderte Trinkbrunnen, der unmittelbar an der Radwegeverbindung Aachen- Jülich im Stadtgarten installiert werden konnte.
Drei Aufsätze für den Trecker des Baubetriebshofs helfen künftig, die Langgraswiesen im Stadtgebiet zu pflegen und künftig aus Intensivrasenflächen hochwertige blühende Grünflächen zu entwickeln.
All diese Projekte helfen den Verantwortlichen im Planungsamt, dem Baubetriebshof aber auch dem Tiefbauamt umfassende Erfahrungen zu sammeln und die Stadt zukunftsfähig zu gestalten.
„An dieser Stelle möchte ich mich auch noch einmal bei den Fördermittegebern bedanken – ohne sie hätten wir nicht so viele Maßnahmen gleichzeitig beginnen und umsetzen können“, freut sich die Umweltplanerin, für die das Projekt eine echte Herzensangelegenheit war. Und Bürgermeister Roger Nießen freut sich besonders über die zahlreichen positiven Rückmeldungen zum „Bunten Band“ aus der Bürgerschaft. „Besonders der Baubetriebshof berichtet über viel positive Resonanz auf die Maßnahmen. Eine große Motivation für uns alle, weiterzumachen und zu wissen: Wir sind auf dem richtigen Weg!“
Die Blühflächen im Bunten Band in Zahlen:
Biotoptyp Quadratmeter
Innerstädtische Blühwiesen 587 m²
Blühflächen mit Blumenzwiebeln 1.692 m²
Blumenzwiebelflächen 1.285 m²
Mehrjährige Blühwiesen (regiozertifiziertes Saatgut) 2.634 m²
Staudenbeete 1.256 m²
Urban Meadows‘ 756 m²
Langgraswiesen (regiozertifiziertes Saatgut) 8.825 m²