Das Geheimnis der Gitarre
Wenn die Fassade des Alten Rathauses in der Dämmerung in orangenem und grünem Licht erstrahlt, dann muss gerade etwas ganz Besonderes geschehen. Und wenn bei einer Ratssitzung eine Gitarre mitten auf der Bühne steht und niemand weiß, warum, dann geht es sogar geheimnisvoll zu.
Der 21. März war für Würselen nicht nur besonders, sondern sogar historisch. „100 Jahre Stadtrechte“ – dieses geschichtsträchtige Ereignis feierten am vergangenen Donnerstag unter anderem die Stadtverwaltung, die Fraktionen und – ganz wichtig – die Bürgerinnen und Bürger der Düvelstadt in einem speziellen Rahmen. Eben mit einer Ratssitzung. Keiner gewöhnlichen, sondern einer Jubiläumsratssitzung.
Eine Tagesordnung gab es natürlich auch. Die Öffentlichkeit wurde ebenfalls eingeladen. Bürgermeister Roger Nießen eröffnete die Sitzung und läutete die Tagesordnungspunkte nacheinander ein. Und trotzdem war alles anders. Festlicher. Noch bedeutsamer.
In der besonderen Atmosphäre des ehemaligen Sitzungssaals im Alten Rathaus erinnerte Bürgermeister Roger Nießen in seiner Eröffnungsrede daran, was die Würselener Gemeinschaft vor 100 Jahren und während der vergangenen 100 Jahre Wegweisendes und Neues auf den Weg gebracht hat. Trotz zahlreicher Probleme, Herausforderungen und des Ersten Weltkriegs. Der erste Bürger der Stadt lobte den Zusammenhalt, den es damals gab und mit dem man „alles geschafft habe“.
Selbst die immerwährende Gefahr, von Aachen eingemeindet zu werden, wurde abgewehrt. Mit Erfolg. Wie die zugesprochenen Stadtrechte zeigen. Und dass viele Menschen die Dominosteine von Kinkartz als die besten in der gesamten Region empfinden, blieb mit einem Augenzwinkern auch nicht unerwähnt. Aber was es mit der Gitarre auf sich hatte, blieb zunächst ungeklärt.
Applaus hallte immer wieder durch den ehemaligen Sitzungssaal und durch das Foyer. Denn auch digital wurde das Ereignis in die Würselen-Welt getragen. Mittels hochauflösender und hochmoderner Kameratechnik war es dem Publikum so möglich, die Sitzung nicht nur im Saal analog zu erleben, sondern eben auch auf einem großen Bildschirm im Foyer.
Digital trifft analog. Oder: Tradition trifft auf Moderne. Das Eine wird nur durch das Andere gut. Und genau das macht Würselen aus – dieses Credo zog sich wie ein orange-grüner Faden durch den Abend. Nicht nur bei der eingesetzten Kameratechnik und der besonderen Beleuchtung außen und innen, sondern auch bei den Themen und Präsentationen des Abends.
Nach den Worten des Bürgermeisters eröffnete Günter Breuer, Leiter der Geschichtswerkstatt und des Kulturarchivs, seine Ausstellung „Von der Landgemeinde zur Stadt“. Er beschrieb in anschaulichen und leicht verständlichen Worten, was Würselen alles auf dem Weg hin zu einer Stadt durchmachen musste.
Trotz ernster Thematik kam auch hier der Humor nicht zu kurz. Und auch Breuer verstand es, Tradition und Moderne zu verbinden. So hielt er einen Vortrag, nutzte einen Beamer zur Fotoveranschaulichung und im Foyer standen drei Rollups, auf denen sich Interessierte später die Ausstellung noch einmal ansehen konnten. Die Ausstellung ist noch bis Ostern im Foyer des Alten Rathauses öffentlich zugänglich während folgender Uhrzeiten: Montag bis Freitag 8 bis 19 Uhr (über den Seiteneingang).
Anschaulich wurde es auch bei der Buchvorstellung „Würselen – 100 Jahre Stadtrechte 1924 bis 2024“. Denn es ging endlich um die Gitarre. „Keine Sorge, ich singe nicht“, sagte Rolf Rüland mit Blick auf das Instrument, als er gemeinsam mit Karl Heinz Klinkenberg ihr Buch vorstellte. Wer sage, dass er in Würselen doch alles kenne, werde sich bei einem Blick in das Buch wundern, erklärten Rüland und Klinkenberg. Doch wieder keine Gitarre.
Im Anschluss würdigte der Stadtrat in unterhaltsamen und emotionalen Kurzbeiträgen das Stadtjubiläum. Es wurden aber auch kritische Töne angeschlagen. Denn in der Düvelstadt müsse sehr viel in der Gegenwart angepackt und Lösungen erarbeiten werden, damit die Zukunft erfolgreich werde. Das gehe nur gemeinsam, war man sich parteiübergreifend einig.
Doch jetzt war es soweit, die Gitarre kam endlich ins Spiel – und mit ihr der Würselener Musiker Christoph Birken. Man hätte eine Stecknadel im Publikum fallen hören können. „Ich könnte über Gebäude singen, aber wenn man eine Stadt richtig erklären und fühlen möchte, dann muss man über die Menschen singen“, sagte Birken und schlug gefühlvoll den ersten Akkord dieser Weltpremiere an. Das gefühlvoll gespielte und noch emotionaler gesungene Lied „Würselen in okay“ traf das Publikum mitten ins Herz. Es flossen mehrere Tränen der Rührung – einen emotionalen und würdigeren Abschluss einer Jubiläumsratssitzung konnte es nicht geben.
Beim anschließenden Eintrag der Stadtverordneten sowie der an der Organisation beteiligten Personen ins Goldene Buch und dem gemeinsamen Umtrunk im Foyer vertieften die Bürgerinnen und Bürger ihre Gespräche über die Themen des Abends. Sie schauten sich die Rollups der Ausstellung an, warfen einen Blick ins Buch und sprachen mit Christoph Birken. Alles stand an diesem Abend im Zeichen einer Hommage an Würselen. Und jetzt war auch das Geheimnis gelüftet, was eine Gitarre mit dem Stadtjubiläum zu tun hat.