Würselen – Stadt der Jungenspiele
Insbesondere das Brauchtum Jungenspiel hat einen hohen Stellenwert, hieran kommt man in Würselen nicht vorbei. Aus einer langen Tradition heraus erhielt die Stadt 1970 anlässlich der 1100-Jahr-Feier die Bezeichnung „Würselen – Stadt der Jungenspiele“ und macht damit die enge Verbundenheit zum Brauchtum deutlich, das bereits im Jahre 1620 in Würselen gepflegt wurde.
Drei Wochen nach Pfingsten ist in Würselen große Kirmes, Höhepunkt der Jungenspiele, die die ganze Stadt in Begeisterung versetzt. Alljährlich zur Großkirmes ziehen die jungen Damen und Herren der schmucken Jungenspiele in Ballkleidern und Anzügen durch die Straßen der Stadt, dem ein akrobatisches Fahnenschwenken vor dem Würselener „Dom“, der Pfarrkirche Sankt Sebastian, vorausgeht. Hierbei handelt es sich um einen alten Brauch, der von der Volkskunde dem Frühlingsbrauchtum zugeordnet wird. In weiten Teilen des Rheinlandes, in der Eifel, im Hunsrück, im Saarland, in Teilen Hessens, im Schwäbischen bis hin nach Südtirol war und ist er teilweise noch verbreitet. In Würselen hat er sich jedoch in besonderer Weise erhalten. Es gibt im Rheinland keine Stadt vergleichbarer Größenordnung, in der die aus früheren Jahrhunderten stammenden Jungenspiele so lebendig sind wie in Würselen.
Die Szenerie spielt sich alljährlich etwa folgendermaßen ab: Schon im April kommen die Maijungen zusammen, um die Vorbereitungen für die kommenden Spiele zu treffen. Wer wird in diesem Jahr Maikönig, wer macht den Maiknecht und wer den Pritschenmeister? Welche Mädchen sind bereit, sich „ausrufen“ zu lassen? Das Mailied wird eingeübt, die Finanzen werden überprüft. In der Nacht zum ersten Mai ist es dann soweit. Die Maijungen ziehen zu den Häusern der auserkorenen Mädchen, singen das Mailied und „rufen die Paare aus“, die an den Kirmestagen gemeinsam im Festzug durch den Ortsteil ziehen sollen. Die Mädchen, denen das Mailied dargebracht wird, bedanken sich durch Geschenke für diese Ehre und spenden Geld. Das Mädchen mit der großzügigsten Spende wird Maikönigin. Auf dem Maiball und auch beim jährlichen Empfang am Rathaus werden dann die neuen Spielspitzen vorgestellt, die jeweils aus Maikönig und Maikönigin, Maiknecht und Maimagd, Ehrendamen und Pritschenmeister besteht.
Elf Jungenspiele pflegen und leben diese Würselener Tradition, die sich in der gesamten Bevölkerung besonderer Beliebtheit erfreut. Gemeinsam mit den Jungenspielen der einzelnen Ortsteile lassen die äußerst agile Dachgemeinschaft Arbeitsgemeinschaft Würselener Jungenspiele (AWJ), verschiedene Fahnenschwenkergruppierungen und weitere jungenspielnahe Vereine das Brauchtum alljährlich lebendig werden.
Wie eng verbunden Würselen mit diesem großartigen, in allen Bevölkerungsschichten fest verwurzelten Brauchtum ist, belegt auch der im Jahre 1991 nahe dem Rathaus aufgestellte Brunnen mit Motiven der Jungenspiele, der von dem renommierten Aachener Künstler Bonifatius Stirnberg geschaffen wurde. Längst ist das verspielte Werk zu einem Anziehungs- und Treffpunkt für Jung und Alt geworden.
Zum 30-jährigen Bestehen der AWJ erhielt die Arbeitsgemeinschaft 2003 den „Wöschelter Düvel“, eine städtische Ehrung, die bisher nur viermal verliehen wurde. In seiner Ansprache stellte der damalige Bürgermeister Werner Breuer das große Engagement jedes Einzelnen in den Jungenspiel-Quartieren heraus. Auf Wunsch der AWJ wird der Düvel bis heute im Rathaus ausgestellt und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Zum Jubiläum „50 Jahre AWJ“ wurde 2023 direkt am Jungenspielbrunnen eine Bodenplatte verlegt, die der Würselener Künstler und Bildhauer Rainer Klinkenberg geschaffen hatte, ein Geschenk, das Bürgermeister Roger Nießen der AWJ zum Jubiläum gemacht hatte.